Falsche Legenden

“Nein, der Wolf wurde nicht aktiv wiederangesiedelt”

Wiederbesiedlung: die natürliche Rückkehr einer Art

In Europa wurde noch nie nachweislich ein Wolf gefangen und dann zur Wiederansiedlung umgesiedelt und wieder freigelassen. Die Ausbreitung des Wolfes in den Alpen, sowie in anderen europäischen Regionen in den letzten vierzig Jahren, ist einzig und allein das Ergebnis der natürlichen Dynamik dieser Tierart.

Das Gerücht von Auswilderungen durch den Menschen entstand, weil einige Wölfe weit entfernt von den nächsten Rudeln auftauchten. Viele Menschen konnten sich nicht vorstellen, dass Wölfe alleine so große Distanzen zurücklegen können. Das Problem ist, dass wir Menschen dazu neigen, die Bewegungsfähigkeit dieser Spezies zu unterschätzen. Nur weil sie nicht Auto fahren oder den Zug nehmen können, sollten sie dazu verdammt sein, ihr Leben innerhalb weniger Quadratkilometer zu verbringen. Einige terrestrische Arten, darunter der Wolf, sind in der Lage, große Distanzen zu überwinden: In ihrem eigenen Territorium können sie an einem einzigen Tag Dutzende von Kilometern zurücklegen; wenn sie abwandern, können sie innerhalb weniger Monate mehrere hundert Kilometer zurücklegen.

Die Ausbreitung über weite Entfernungen ist ein charakteristisches Verhalten dieser Tierart. Es ist ein dynamischer und schrittweiser Prozess, bei dem die subadulten Wölfe ihr ursprüngliches Rudel und dessen Territorium verlassen. Sie suchen nach einem eigenen geeigneten Territorium und nach einem Wolf des anderen Geschlechts, um sich fortzupflanzen und ein neues Rudel zu bilden. Die abwandernden Jungwölfe legen dabei oft große Distanzen zurück, manchmal sogar durch flache oder hügelige Gebiete, die dichter besiedelt und bebaut sind. Dort sind die Gefahren für einen Wolf meist größer als in den Bergen (z.B. höheres Risiko überfahren zu werden, mehr anthropogene Störungen, teils geringere Verfügbarkeit von Beute). Die Sterblichkeitsrate dieser Tiere ist daher hoch.

Wie können wir das wissen?

Anhand genetischer Analysen von biologischen Proben (z.B. Kot, Gewebe, Haare) die Wölfe zurücklassen, konnten zahlreiche Wanderungen in den Westalpen dokumentiert werden (siehe z.B. das Bild aus dem Bericht des Piemontesischen Wolfsprojekts von Marucco et al. 2010). Die „Knoten“ auf der Karte stellen die Orte dar, an denen biologische Proben desselben Wolfes in den Jahren 1999 bis 2008 nachgewiesen wurden. Die Proben sind mit einem einzigartigen Code (z.B. CN-M100) benannt, der auch das Geschlecht des Tieres identifiziert, männlich (M) oder weiblich (F):

“Nein, der Wolf wurde nicht aktiv wiederangesiedelt” - Life Wolfalps EU
Dokumentierte natürliche Ausbreitung in den Alpen von Wölfen aus dem Piemont von 1999 bis 2008.

Darüber hinaus wurden einige Wölfe gefangen (zu Forschungszwecken oder weil sie in freier Wildbahn verletzt aufgefunden und dann geborgen wurden) und mit einem GPS-Telemetriehalsband wieder freigelassen. Diese Halsbänder sind in der Lage, die Position des Tieres in Echtzeit zu übermitteln, so dass seine Bewegungen im Detail verfolgt werden können. Zu den berühmtesten dokumentierten Wanderungen gehört die des Wolfes „Ligabue“ im Jahr 2004, vom toskanisch-emilianischen Apennin bis in die ligurischen Alpen (beschrieben in Ciucci P. et al. „Long-Distance Dispersal of a Rescued Wolf from the Northern Apennines to the Western Alps“, Journal of Wildlife Management 73(8): 1300-1306):

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Anfang 2012 wanderte der Wolf „Slavc“ von Slowenien aus über Österreich nach Italien, wo er noch im gleichen Jahr nach einer langen Reise in der Hochebene der Lessinischen Berge mit dem Weibchen „Juliet“ das erste Rudel bildete, das aus einem Wolf der dinarischen Population und einem Wolf der alpinen Population bestand. Dokumentiert wurde diese Wanderung von den ForscherInnen der Universität Ljubljana innerhalb des LIFE SloWolf-Projektes:

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Natürlich wurde in den letzten vierzig Jahren die Rückkehr des Wolfes in vielen Bereichen indirekt gefördert: indem er auf nationaler und internationaler Ebene rechtlichen Schutz genießt (einst galt der Wolf als schädliches Tier, weshalb seine Ausrottung gefördert wurde); indem in manchen Regionen der Alpen das Leben in den Bergen aufgegeben wurde, wodurch es zu einer Entvölkerung und Bewaldung der Landschaft kam; indem wir wildlebende Huftiere (Wildschweine, Rehe, Damhirsche, Rothirsche), die auch die bevorzugte Beute des Wolfes sind, gefördert haben und somit die ökologischer Bedingungen begünstigt haben, die für die Anwesenheit eines großen Beutegreifers notwendig sind.

Fazit: Die aktuelle Ausbreitung des Wolfes ist in jedem Fall das Ergebnis der natürlichen Dynamik dieser Art, eine gezielte Wiederansiedlung wurde in Europa noch nie durchgeführt.