WPIUs in Österreich in Action!
Erste Hilfe nach Wolfsriss als Ergebnis des internationalen Projektes WolfAlpsEU in Zusammenarbeit von HBLFA Raumberg-Gumpenstein und dem Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs.
Die Ereignisse
Am Montag, dem 7. Juni 2021 kam zum ersten Mal ein Beutegreifer-Notfallteam zum Einsatz. Am Wochenende davor kam es im Gebiet der Agrargemeinschaft Schafburg in Hundsdorf (Gemeinde Rauris, Salzburg) zu einem Rissvorfall.
Die Bilanz: Durch den Riss und die anschließende Panik in der Schafherde kamen ca. 60 Tiere teilweise zu Schaden oder sind abgängig. Die restlichen Tiere (ca. 90) wurden in eine sichere Tal Weide gebracht.
Alarmierung und Einsatz
Die Alarmierung des Notfallteams erfolgte nach Absprachen vor Ort durch den Vertreter der Bezirksbauernkammer St. Johann/Pg.-Johann Huber, dem Wolfsbeauftragten des Landes Salzburg-Hubert Stock und dem Obmann des Österreichzentrums Bär, Wolf, Luchs (ÖZ)-Klaus Pogadl, um 15 Uhr. Das Team, bestehend aus Reinhard Huber-Teamleiter und Daniel Eingang (HBLFA Raumberg-Gumpenstein) sowie zwei Mitarbeitern des Maschinenrings Enns-Paltental, brach um ca. 16 Uhr in das Einsatzgebiet auf.
Noch am selben Abend, wurde vor Ort der Pferch, in den die restlichen Schafe gebracht worden sind, mit einem Herdenschutzzaun abgesichert. Das dafür notwendige Material ist Teil der Ausstattung des Notfallteams.
Bedingt durch die hohe Zahl an abgängigen Tieren wurde beschlossen, die Suche am folgenden Tag (Dienstag) unter zu Hilfenahme einer Drohne mit Wärmebildkamera der HBLFA Raumberg-Gumpenstein durchzuführen. Daran beteiligt waren Reinhard Huber und Andreas Klingler (HBLFA Raumberg-Gumpenstein) sowie ein Mitarbeiter des Maschinenrings Enns-Paltental. Es konnten zehn lebende Tiere durch die Kamera gesichtet werden. Aufgrund von Nebel und dem schwierigen Gelände war die Suche nur eingeschränkt möglich. Die Tiere waren stark verschreckt und so konnte nur ein Tier eingefangen werden, die restlichen flüchteten in nicht zugängliches Gelände.
Beutegreifer-Notfallteam
Aufgabe: betroffenen Haltern und Hirten nach einem Riss, schnell, unbürokratisch, sowie mit entsprechendem Fachwissen und Ausrüstung zu helfen. Das Team muss, nach entsprechender Alarmierung, möglichst schnell am Einsatzort sein, die Situation unter dem Gesichtspunkt des Herdenschutzes beurteilen, nach Möglichkeit weitere Übergriffe verhindern und Informationen an benachbarte Weidegebiete weitergeben. Als konkrete Maßnahmen zählen u.a., das Aufstellen von Herdenschutzzäunen, das Zusammentreiben versprengter Tiere, oder auch Hilfe bei einem möglichen vorzeitigen Abtrieb. Das Team bringt dazu notwendiges Material und spezielle Ausrüstung mit.
Die Idee, Aufstellung und Ausbildung dieser Notfallteams passiert im Rahmen des internationalen Projektes WolfAlpsEU, EU-kofinanziert im Rahmen des LIFE-Programmes. Die HBLFA Raumberg-Gumpenstein ist in Österreich hier gemeinsam mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien aktiv.
Das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs, ein Unterstützer des Projektes WolfAlpsEU, arbeitet mit der HBLFA Raumberg-Gumpenstein an der langfristigen Etablierung der Beutegreifer-Notfallteams in Österreich und koordiniert die Einsätze. Das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (Mitglied des Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs) hat eine finanzielle Unterstützung zur Verfügung gestellt. Dadurch entstehen für die betroffenen Landwirte keine Kosten.
Die Zusammenarbeit
Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs
Das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs leistet als Verein einen wesentlichen Beitrag zu einer möglichst konfliktfreien Koexistenz mit den großen Beutegreifern unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen sowie der Interessen der betroffenen Landnutzer und der übrigen Bevölkerung. In Zusammenwirken von Bund, Ländern und zahlreichen Interessensgruppen werden Lösungsstrategien und konkrete Handlungsoptionen erarbeitet, weiterentwickelt und deren Umsetzung im gesamten Bundesgebiet unterstützt.
Web: https://baer-wolf-luchs.at – https://baer-wolf-luchs.at/presse.htm
Kirchbacherwipfelalm. 20.06.21: In den letzten Tagen gab es dort Übergriffe auf Schafe mit 8 toten Tieren, durch einen großen Beutegreifer, wahrscheinlich war es ein Wolf. Da der Beutegreifer noch immer in dem Gebiet vermutet wird, sollen die Schafe in der Nacht vor weiteren Übergriffen geschützt werden. Dazu gibt es durch das LIFE Projekt WolfsAlpsEU gestartete Notfallteam der die HBLFA Raumberg-Gumpenstein. Das Notfallteam besteht aus Mitarbeitern der HBLFA Raumberg-Gumpenstein und Personal des Maschinenrings Enns/Paltental mit entsprechendem Equipment an Zaunmaterial für den Bau einer Sicherheitskoppel. Es handelt sich dabei um eine Sofortmaßnahme, die den Tieren das Überleben in den nächsten Nächten sichern sollte. Man kann das vergleichen mit der Rettung und Ersthelfern nach einem Unfall. Nach der Alarmierung des Notfallteams durch Roman Kirnbauer vom Land Kärnten ist das Notfallteam vom steirischen Irdning nach Kärnten gekommen und hat die Bauern dabei unterstützt, einen einem elektrifizierten Pferch zu errichten. Der Zaun für den Pferch erfüllt die Anforderungen eines Herdenschutzzaunes. Darüber hinaus ist er zusätzlich mit Flatterbändern für eine erhöhte Sichtbarkeit des Zaunes und mit Blinklampen, die in unterschiedlichen zeitlichen Abständen und Farben blinken, ausgestattet. So ein „Notfall-Pferch“ ist nur eine kurzfristige Maßnahme, eine längerfristige Lösung muss gesucht werden.
Unsere Kulturlandschaft, speziell unsere Almen, sind durch die Bewirtschaftung mit Weidetieren entstanden. Auf vielen Flächen besteht die Gefahr des Zuwachsens bzw. der Verbuschung, einerseits durch den Klimawandel, andererseits durch einen Rückgang der Zahl der geeigneten Weidetiere und jetzt noch mit dem Problem „großer Beutegreifer“. Mit Wolf; Bär und Co ist eine Bewirtschaftung in traditioneller Form wie bisher so nicht mehr möglich. Die Schafe genießen auf den meisten Almen einen freien Weidegang, wo sie auch steile Flächen nutzen und vor dem Zuwachsen schützen. Werden diese Flächen nicht mehr beweidet, verbuschen sie und wertvolle Weide und wichtiger Lebensraum für andere Tiere, wie z.B. Raufußhühner oder Gams gehen verloren. Wird das Gras nicht genutzt, legt es sich wie eine Matte im Herbst am Boden nieder, auf dem Schnee leicht wegrutschen kann, es kommt zu erhöhter Lawinengefahr, oder der Schnee gefriert am Gras fest und reist den Boden mit, es kommt zu Erosion und Muren-Abgängen. In der Folge müssten technische Anlagen (Lawinenverbauten) den Lebensraum unterhalb schützen. Alle diese Maßnahmen können verhindert werden, wenn eine angepasste Bewirtschaftung erfolgt.
Ein Beispiel ist die betroffene Kirchbachwipfelalm:
Im Jahre 2015 hat ein Bär auf der Alm Schafe getötet und seitdem wurde die Alm nicht mehr mit Schafen und Ziegen bewirtschaftet. Die Folgen sind heute schon sichtbar. Wertvolle Futterfläche wird von Zwergsträuchern und Grünerle überwuchert, da und dort wachsen schon kleine Bäume. Wird hier in nächster Zeit nicht mit einem entsprechenden Weidedruck entgegengewirkt, gehen viele Teile dieser Almfläche verloren. Der Landwirt Martin Martin versucht heuer wieder, diese Alm mit Schafen zu bewirtschaften. Leider hatte er nach kurzer Zeit die ersten toten Tiere, wie oben geschildert. Er will trotzdem die Beweidung nicht aufgeben, denn es ist ihm bewusst, wenn jetzt keine Beweidung wieder stattfindet, geht immer mehr Weidefläche verloren.
Herdenschutz zu betreiben ist sehr aufwendig. Normalerweise kontrolliert Martin seine Schafe mehrmals die Woche. Jetzt gilt es die Schafe am Abend, der normalerweise eine Hauptfresszeit für sie ist, zusammenzutreiben und in den Pferch geben und am nächsten Morgen die Schafe wieder aus dem Pferch zu lassen und zu den Weideplätzen zu treiben. Dazu braucht es eine Person ständig vor Ort, welche am Heimatbetrieb natürlich fehlt. Der Bauer müsste zusätzlich eine Person anstellen, aber für 200 Schafe kann er sich den finanziellen Aufwand nicht leisten. Das Material des Herdenschutzpferches wird vom Notfallteam für ca. zwei Wochen zur Verfügung gestellt und sollte dann für weitere Einsätze verwendet werden. Seit die Schafe in der Nacht im Pferch sind, kann er wenigsten ein paar Stunden beruhigt schlafen, weshalb es für ihn wichtig wäre, den Pferch für den gesamten Almsommer zur Verfügung zu haben. Die Kosten des eingesetzten Materials belaufen sich auf ca. € 2000.-, die es zu finanzieren gilt. Leider gibt es in Kärnten noch keine Mittel für Herdenschutzzäune, wie z.B. Salzburg oder Tirol, weshalb hier noch eine Lösung gesucht wird.
HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein mit ihrem Sitz in Irdning-Donnersbachtal (Bezirk Liezen, Steiermark) ist eine Dienststelle des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) und in der Forschung und Entwicklung für den ländlichen Raum die treibende Kraft für nachhaltiges Wirtschaften im Agrar-, Ernährungs- und Umweltbereich.